40 Jahre Knust (u.a. mit kettcar) auf dem Lattenplatz, Hamburg

Selten war ein Konzert beziehungsweise dessen Einlass so chillig wie der 40. Knust-Geburtstag, der von der ersten Minute an von seiner familiären Atmosphäre lebte.

Theoretisch wäre es möglich gewesen, selbst nach Beendigung des ersten Acts noch in die erste Reihe zu kommen - selbstredend war ich zum Geburtstag meines mit Riesenabstand meistbesuchten Clubs (knapp 1 Konzert pro Bestehensjahr, obwohl erst 3 Jahre Hamburger) und der damit verbunden Grand Hotel-Labelshow aber von Anfang am Start.

 

Den Auftakt am Nachmittag machten Liza & Kay, aber als bei bisherig gesehenen Auftritten diesmal mit Band. Auch dank dieser wirkte die Musik auch OpenAir erstaunlich gut. Textlich spielen sie zwar in einer guten Liga, viel mehr als solider Deutschpop ist es aber ehrlich gesagt dann doch nicht. Ich persönlich finde es auch etwas schade, dass die wirklich starken zweistimmigen Momente so selten sind, da mir Lizas' Stimme allein af Dauer etwas anstrengend wird. Vor allem musikalisch gut waren dann auch die Stücke des kommenden Albums.

Trotz der kleinen Kritik ein durchaus gelungener Auftakt.

 

Der zweite Geburtstagsgast - Fortuna Ehrenfeld - ist da schon deutlich schwerer zu beurteilen. Musikalisch war da zwar auch einiges gutes dabei und auch der krude Mix aus fast Liedermacherartigem und punkig angehauchte Wutsongs hatte irgendwas. Das Gehabe des Sängers nervte jedoch zunehmend und zudem war die ein oder andere Nummer auch richtig mies. Aber die Kölner sorgten mit "Allex explodiert" auch für ein erstes Highlight - eine echte Hörempfehlung, so hätte sowohl textlich auch als musikalisch gern mehr sein dürfen.

Ein Vollausfall aber war die mir im Vorfeld einzig unbekannte Band allerdings auch nicht und die wirklichen Kracher sollten ja eh erst noch folgen.

 

Kracher Nummer 1 stellte dabei Adam Angst da, den ich durch ein gewonnenes Album und vor allem durch die Single "Splitter von Granaten" zu schätzen lernte und mich auf die persönliche Live-Premiere entsprechend freute.

Um aber auch hier gleich mal was negatives vorwegzunehmen: Sobald die Jungs richtig losrockten, war es sehr schwer bzw. unmöglich die Texte zu verstehen - aber irgendwie gehört das auch dazu, wenn der Lattenplatz mal richtig aus den Angeln gehoben werden soll. Und dieses Handwerk verstehen sie auf jeden Fall, dementsprechend gut gefiel mir der Auftrit auch. Ein bisschen fühlte man sich an die guten alten Zeiten der Ärzte und der Hosen erinnert - einfach richtig guter Punkrock. Live knallen die Songs dabei auch definitiv noch mehr rein als auf Platte (besonders die Drums waren megagut).

Mit einem Anti-AFD-Song - der textlich allerdings zugegebenmaßer sehr simpel daherkam - hatte man das Publikum eh direkt auf seiner Seite und auch die dann folgenden diversen textlich gutklassigen Wutsongs waren stark und wurden nicht eintönig. Das Finale mit "Professoren" und dem eingangs erwähnten "Splitter" setzte dem ganzen noch die Krone auf.

Zum zweiten Wehmutstropfen wurde daher nur, dass Adam Angst ihre Spielzeit doch recht deutlich unterschritten - ich hätte noch gerne mehr gehört. Ein Besuch eines eigenständiges Konzertes ist jedoch nicht ausgeschlossen.

 

Als Special Guest und quasi "Lückenfüller" war im Folgenden der Hamburger Kneipenchor für gute 20 Minuten auf der Bühne. Und es zeigte sich schnell, dass es die richtige Entscheidung war, sie vor dem finalen Act in den Programmablauf einzubauen, Dieses zeigte sich spätestens bei Lied 2 - der von mir in diesem Blog schon mehrfach gelobten Version von "Verdammt, ich lieb dich" - mit der sie eine sehr gute Stimmung erzeugten.

Ganz neu im Set war Wanda's "Bologna", welches für meine Begriffe aber nicht gut arrangiert wurde.

Mit dem finalen Song kochte die Stimmung dann nochmal hoch - folgte doch ein Medley an Hamburger Klassikern, welches - ebenfalls neu - nun mit "Ahnma" von den Beginnern eröffnet wird (dieses wieder toll arrangiert). Allein für den Mut den Song zu bringen, der den Refrain von "Landungsbrücken raus" (mit Sonderapplaus) enthält, war der frenetische Applaus mehr als verdient. So einen Auftritt und so eine Publikumsresonanz hat dieser Chor in seiner Geschichte vermutlich noch nie erlebt. Fakt ist aber einfach, dass sie die Rolle als einheizender Voract bravorös erfüllt haben vor meinem ersten Hamburg-Konzert von

 

kettcar. Und gleich mit den ersten Tönen brachen sprichwörtlich die "Deiche" - sofort wurde klar, dass das Heimspiel der Jungs was besonderes werden würde. Wie Marcus selbst anmerkte, gab es an diesem Abend eine Setlist voller Hits, die gerade jemandem wie mir, der sich immer noch mit dem Gesamtwerk vertraut machen muss, sehr gefallen hat. Entsprechend gibt es eigentlich kaum einen Song, den man noch wirklich hervorheben möchte oder kann. Das ganze Set war einfach klasse und neben der Stimmung im Publikum war die Spielfreude der Band greifbar - so schön, dass sie nächstes Jahr dann endlich zurück auf der Karte sind.

Und wie gute Bands so sind, beherrschen sie sowohl die emotionale Schiene ohne zu langweilen oder schmalzig zu werden - wie bei "48 Stunden" oder "Balkon gegenüber" eindrucksvoll belegt - aber eben vor allem ihr Hauptmetier besten Deutschrock bei Songs ala "Money left to burn" und "Ich danke der Academy". Songs, die mir irgendwo alle was bedeuten.

Im Ohr blieb diesmal jedoch mit "Im Club" ein Song, den ich bislang so gar nicht auf dem Schirm hatte, sich aber bis zum nächsten Konzert als Wurm in den Gehörgängen einnistete.

 

Ein echter Traum war natürlich das ursprüngliche Finale "Landungsbrücken raus", welches ich nun also erstmal live in der schönsten Stadt des Landes erleben durfte. Es war Gänsehaut, Stimmung und Euphorie in Überdosis.

Laut Setlist ungeplant gab es zum echten Abschluss noch den Hidden Track des Erstlingswerks, also eine echte Rarität.

Obwohl deutlich größere Location und kürzerem Set (aber immerhin deutlich mehr als avisierte 40 Minuten) als zum Tower-Geburtstag gefiel es mir heute um Längen besser, spätestens jetzt haben mich kettcar gepackt und so einen sehr gelungenen Tag grandios abgerundet.

 

Bei besonderen, einmaligen Konzerten gibts als Extra die komplette Setlist:

Deiche *** Kein Aussen mehr *** Graceland *** Balkon gegenüber *** 48 Stunden *** Rettung *** Balu *** Money left to burn *** Im Taxi weinen *** Im Club *** Ich danke der Academy *** Landungsbrücken raus *** Mein Skateboard kriegt mein Zahnarzt